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Jürgen Weber
im Interview

Von Kiel im Frühjahr 2023 über Speyer bis ins Technik Museum Sinsheim im Sommer 2024 – Jürgen Weber vom Verband Deutscher Ubootfahrer e.V. (VDU) war live dabei. Nach dem aufregenden Transport im Juli 2024 nahm er sich die Zeit, um mit uns seine Erfahrungen, Eindrücke und die Bedeutung dieses außergewöhnlichen Vorhabens für die maritime Geschichte zu teilen.

Jürgen, welche Rolle hattest Du auf U 17, als Du noch aktiv U-Boot gefahren bist?
Während meiner Dienstzeit in der Ubootflottille (1980 bis 1992) bin ich in zwei verschiedenen Funktionen auf U 17 gefahren: Im März 1984 war ich während des Kommandanten-Lehrgangs als Schüler an Bord. Ziel war die praxisnahe Ausbildung beim Schießen von Übungstorpedos. Im Oktober 1988 war ich Ausbilder an der Marinewaffenschule und wurde im Rahmen einer Mobilmachungsübung für Reservisten in der mittleren Ostsee für knapp zwei Wochen als Kommandant U 17 eingesetzt.

Was bedeutet Dir U 17 persönlich? Hast Du besondere Erinnerungen an Deine Zeit an Bord?
Beide Einsätze auf U 17 waren schon etwas Besonderes für mich. Das war zum einen mein erster erfolgreicher Schuss eines Übungstorpedos als Kommandantenschüler und dann war es zum anderen auch schön, aus dem Ausbildungsbetrieb heraus mal wieder knapp zwei Wochen als Kommandant zur See zu fahren. Und an meinen Kommandantenlehrgang habe ich noch eine ganz spezielle Erinnerung: Ich hatte ein paar Stunden frei und durfte auf der Koje des Smuts ein Auge ziehen. Da die Koje die oberste von drei übereinander angeordneten Kojen war, war es gar nicht so einfach, sich da hineinzuzwängen. Ich habe nie Probleme mit Platzangst gehabt: Aber in dieser Koje konnte ich mich nicht umdrehen und die nächsten Rohrleitungen über mir waren keine 15 cm entfernt. Seitdem habe ich eine gewisse Vorstellung von Klaustrophobie …

Warst Du daran beteiligt, als es hieß, wir bewahren U 17 vor der Verschrottung? Wenn ja, wie wars damals?
Einer der Engagiertesten aus unserer Gruppe war Jörg Wiest. Er hat schon 2008 - als die Boote der Klasse 206A noch im Einsatz waren - erste Schritte unternommen, um ein Boot als Museums-Uboot zu erhalten. Ich gehörte zu den Passiven, die einfach nur traurig waren, dass niemand ein Boot der erfolgreichsten deutschen Ubootklasse mit fast 40 Einsatzjahren als Beispiel deutscher Entwicklungs- und Konstruktionsfähigkeit, quasi auch als eine Art Industriedenkmal, ausstellen wollte. Dann war ich 2014 - drei Jahre nach meiner Teilnahme an der Außerdienststellung der letzten vier Uboote der Klasse 206A - auf einem Ubootfahrertreffen. Und wieder bemitleideten wir uns gegenseitig, dass nicht ein einziges 206A-Boot erhalten bleiben sollte. Bis dann unser Kamerad Dr. Hans-Jörg Bange (Spitzname: Funker Hornsby – man erinnere sich an den Film Operation Petticoat / Unternehmen Petticoat) das Selbstmitleid mit den markigen Worten sprengte: „Wir sollten doch wohl wenigstens ein Boot vor dem Hochofen retten können!“ Das war der Beginn einer Arbeitsgruppe aus vier ehemaligen Unteroffizieren, die in den nächsten vier bis sechs Jahren schier Unglaubliches leistete, um die Hornsby-Parole in die Realität umzusetzen. Ich war als Geschäftsführer des VDU zusätzliches Mitglied dieser Gruppe, um den Vorstand unseres Verbands stets auf dem aktuellen Stand halten zu können. Leider hat unser ehemaliger Funkmaat Dr. Hornsby die Früchte seiner Arbeit nicht mehr erleben dürfen, da er im November 2021 seine allerletzte Reise antreten musste.

Es waren ja viele Schritte nötig, um U 17 für den Transport vorzubereiten. Wie hast Du daran mitgewirkt?
Mit den Transportvorbereitungen an sich hatten wir natürlich kaum etwas zu tun. Das war Aufgabe der Technik Museen Sinsheim Speyer und vor allem der Fachleute der Kübler Spedition. Unsere Aufgaben waren im Vorfeld angesiedelt. Durch gute Kontakte zu den Werften und in die Marine sowie die Ämter der Bundeswehr konnten wir zum Beispiel dafür sorgen, dass der Kübler Spedition technische Vorschriften mit genauen Angaben über detaillierte Maße, Gewichtsverteilung und Beballastung zur Verfügung gestellt wurden, die für die Transportberechnung von enormer Wichtigkeit waren. Mein Schwerpunkt bei diesen Vorarbeiten waren die Vorschriften der Demilitarisierung, also der Unbrauchbarmachung von Kriegswaffen. Dafür ist in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn zuständig. Und wer einmal im Motorenraum von U 10 im Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven oder in dem von U 9 in Speyer war, weiß, was diese Behörde allein im Bereich der Schiffstechnik mehr oder weniger sinnlos einfach nur zerstört hat. Diese übertriebene Zerstörung von Museums-Ubooten war mir seit 25 Jahren ein Dorn im Auge! Also setzte ich alles daran, einem erneuten behördlich angeordneten Zerstörungsangriff vorzubeugen. Ich machte mich also auf die Suche nach Vorschriften für die Demilitarisierung und fand grob gesagt folgende Aussage: „Das BAFA ist zuständig für die Unbrauchbarmachung / Demilitarisierung von Kriegswaffen der Bundeswehr mit Ausnahme von Booten und Schiffen der Marine. Für diese legt die Marine selbst die Bestimmungen für die Demilitarisierung fest.“ Damit konnten wir unsere Vorstellungen der Demilitarisierung an Stellen der Marine und Bundeswehrbehörden zugänglich machen und waren Jahre später mit dem Erreichten sehr zufrieden.

Du warst bei beiden Transporten (2023/2024) dabei. Wie hast Du diese erlebt?
Auf beiden Transporten hat mich das immense Interesse der Bevölkerung und auch der Medien emotional sehr bewegt. Dass wir als Ubootfahrer begeistert waren, ist ja klar. Aber diese Eindrücke von begeisterten Menschenmassen an den Ufern des Rheins, ein Jahr später an den Ufern und auf den Brücken des Neckars sowie danach in den Städten und Gemeinden des Kraichgaus werde ich in meinem Leben nicht vergessen. Natürlich war und bin ich fasziniert von der Transportplanung vor allem durch die Kübler Spedition und die Techniker der Technik Museen. Und dann das alles „live und in Farbe“ mitverfolgen zu dürfen – zunächst 10 Tage auf und am Rhein und ein Jahr später 32 Tage von Speyer bis Sinsheim – das war schon ein großes Geschenk. Es war schon schier unglaublich zu sehen, wie Frieder Saam von der Kübler Spedition Engstellen anschaute, analysierte, Anordnungen traf und danach diese Engstellen mit Bravour meisterte. Ebensolche Hochachtung habe ich für Ben Kik, den Kapitän des Schubschiffs PIETER VAN DER WEES, empfunden, wenn er seinen Schubverband in engste Schleusenkammern bugsierte. Es war eine Ehre, diese Truppe beim Transport begleiten zu dürfen!

Was war Dein Highlight beim Transport 2023?
Den Transport von Dordrecht bis Speyer habe ich auf der Waal und auf dem Rhein in einem Speedboat bzw. von Mainz bis Speyer auf einer privaten Motoryacht miterleben dürfen. Anfangs habe ich immer wieder zum Schubverband mit U 17 hinübergeschaut und mich in den Arm gezwickt. Denn dass dieser Transport Realität geworden war, musste ich mir auf diese Weise hin und wieder eintrichtern! Der ganze Transport im Mai 2023 war ein Highlight und die schönste Flussreise meines Lebens! Überwältigt war ich von den Menschenmassen in Köln und dem abendlichen Bericht im Fernsehen. Es wurden Menschen nach ihren Beweggründen gefragt, sich dieses Spektakel anzusehen; ein Mann antwortete, dass er gekommen sei, weil dieses Boot mit seinen Besatzungen zu 40 Jahren Frieden im Land beigetragen hat. Das hat man in diesem Land als aktiver bzw. pensionierter Marineoffizier selten gehört!

Highlight beim Transport 2024?
Als gebürtiger Westfale, der fast 20 Jahre lang in Schleswig-Holstein gelebt hat und nun seit 32 Jahren zugereister Bayer ist, war mir das Neckartal ziemlich unbekannt. Das war schon ein tolles Bild, wenn sich unser Schubverband durch diese wunderschöne Landschaft mit den beeindruckenden Burgen und Schlössern sowie den malerischen Ortschaften mit seinen begeisterten Bewohnern neckaraufwärts bewegte! Von den Gefühlen her war es ein Highlight, als wir am 28. Juli 2024 mit etwa 40 Ubootfahrern vor dem Transport ins Museum marschieren durften. Ich sage bewusst nicht ehemalige Ubootfahrer: Einmal Ubootfahrer – immer Uboortfahrer. Und dann rief irgendwer auf dieser Strecke: „Danke für Euren Dienst in der Deutschen Marine!“ Das ging schon an die Tränendrüsen…

Was ging Dir durch den Kopf, als Du das U-Boot auf dem Transportweg gesehen hast, statt wie gewohnt im Wasser?
Kurze Antwort: Das war bei jedem Hingucken ein wahnsinniges Glücksgefühl! Wir alle, Museum, Spedition, Reederei und wir Ubootfahrer hatten es geschafft: U 17 fuhr huckepack mit Kurs auf seinen letzten Heimathafen. Die grausame Option Hochofen war Geschichte!

Gab es Momente (bei beiden Transporten) bei denen Du dachtest, das wird niemals klappen!?
Nein!!! Wir, die an diesem Projekt Beteiligten, hatten uns in den letzten sieben Jahren kennen- und schätzen gelernt. Es gab jedoch einige Tage, an denen ich als Seefahrer unruhig war. Die Passage von der Elbmündung bis Hoek van Holland, der Rheinmündung, machte mir schon Sorgen. Wer die Nordsee und ihre hässlichen und unberechenbaren Wellen bei Sturm kennengelernt hat, wird meine Sorgen verstehen. Doch zum Glück blieb die See ruhig und am 1. Mai 2023 lief der Schleppverband in Dordrecht ein!

Was ging in Dir vor, als U 17 endlich in Sinsheim ankam?
Da war der Traum vom Museums-Uboot 206A schlagartig ausgeträumt und die Realität des Exponats U 17 mit allen Planungen und Besprechungen konnte beginnen.

Wie hat das Publikum oder das Team reagiert, als U 17 schließlich ankam? Kannst Du die Atmosphäre beschreiben?
Die letzten paar hundert Meter von der Kreuzung Dietmar-Hopp-Straße / Neulandstraße ins Technik Museum waren unbeschreiblich. Zwei Spielmanns- und Fanfarenzüge sorgten für Volksfeststimmung bei Zuschauern und bei uns Mitmarschierern. Höhepunkt für uns Ubootfahrer war die Paradeaufstellung beim Einfahren von U 17 und die von unserem Präsident Michael Setzer befohlene letzte Ehrenerweisung für unser Uboot „Front nach Steuerbord!“. Als wir alle militärisch grüßend - was ja in ziviler Kleidung nicht üblich ist - in einer Reihe standen und Michael die Front mit der Batteriepfeife mit einem langen und einem kurzen Pfiff einläutete, kam großer Applaus von den anwesenden Zuschauern. Die hatten uns und unser Anliegen verstanden! Danke!

Wenn wir U 17 wieder zurück nach Kiel transportieren würden, was sollen wir anders machen?
Vor einem solchen Fehler kann ich nur aus tiefstem Herzen warnen! U 17 ist jetzt dort, wo man es als Exponat sehr zu schätzen weiß. Und der historische Transport hat wesentlich zum Interesse der Bevölkerung im Süden an dem zukünftigen Museums-Uboot U 17 beigetragen. An der westlichen Ostseeküste gibt es kein Interesse an einem solchen Exponat. Bereits im Jahr 2004 hatte sich eine sogenannte Bürgerinitiative „U-Boot freie Innenstadt Eckernförde“ erfolgreich gegen ein Museums-Uboot gewehrt. Und im März 2017 teilte der damalige Bürgermeister von Eckernförde unserer Arbeitsgruppe schriftlich mit, dass die Mitglieder des Hauptausschusses keine Mehrheit für die Errichtung eines Uboot-Museums in Eckernförde sähen.

Gibt es Erinnerungen oder Anekdoten, die Dir beim Anblick des U-Bootes in den Sinn kommen?
Nach knapp zehn Jahren Dienstzeit als Wachoffizier und Kommandant bleibt das nicht aus! Und noch schöner ist es, wenn man dann in einer Gruppe von Ubootfahrern zusammensitzt und eine Anekdote nach der anderen auf die Back kommt. Das ist dann häufig der Moment, wo unsere Frauen das Weite suchen …

Welche Bedeutung hat U 17 aus historischer Sicht?
Da sind zwei Ereignisse zu nennen: Die Atlantiküberquerung und der Besuch in Baltimore, MD. Nachdem deutsche Uboote von Mitte Januar 1942 bis April 1945 Handelskrieg vor der US-amerikanischen Ostküste geführt hatten, operierten mit U 17 und U 26 erstmals nach mehr als 50 Jahren wieder deutsche Uboote in US-Gewässern. Jetzt quasi auf Einladung unseres NATO-Partners und mit diplomatischer Genehmigung. Diese beiden Uboote waren auch die ersten der Bundesmarine / Deutschen Marine, die über den Atlantik fuhren. Das erste deutsche Uboot, dass das geschafft hatte, war 1916 das Handelsuboot DEUTSCHLAND unter ziviler Schiffsführung. Am 9. Juli 1916 lief die DEUTSCHLAND vor Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg (6. April 1917) den Hafen von Baltimore an. 81 Jahre später war U 17 das zweite deutsche Uboot, das diesen Hafen ansteuerte.

Wie fühlt es sich an, U 17 in einem neuen Kontext zu sehen, in einem Museum statt im Wasser?
Das ist ein sehr gutes Gefühl. Nach der Außerdienststellung wäre sonst die Verschrottung das Wahrscheinlichste gewesen. So aber können wir stolz und glücklich auf ein Uboot sein, das über 37 Jahre im Dienst der deutschen Marine stand. Damit hat unsere Arbeitsgruppe ihr Ziel erreicht, dieses Boot auch als eine Art Industriedenkmal zu erhalten. Damit meine ich, dass wir die gelungene Arbeit der Konstrukteure ebenso würdigen wie die Arbeit der beiden Bauwerften in Kiel und Emden und die ausgezeichnete Pflege und Wartung des Bootes durch die Besatzungen.

Gibt es bestimmte Details oder Merkmale an U 17, die Du den Besuchern ans Herz legen würdest, wenn sie das U-Boot in Sinsheim besichtigen?
Nein, eigentlich nicht. Besucher sollten sich an Bord aber mal vorstellen, wie das ist, wenn dort 23 Frauen und Männer wochenlang auf engstem Raum in der Anti-CHANEL N°5 (von Laien auch als Ubootmief bezeichnet) geschwängerten Luft zusammenleben und arbeiten.

Welche U-Boote sollten Deiner Meinung nach auf jeden Fall noch „gerettet“ werden und warum?
Mit der jetzigen Klasse 212A fahren wir seit 2005 hochmoderne Uboote mit Brennstoffzelle. Das war ein großer Schritt in Richtung außenluftunabhängiger Vortrieb. Die haben sicher eines Tages auch einen Platz im Museum verdient, sind aber mit über 1.800 t nicht nach Speyer oder Sinsheim zu transportieren. Und zu Norddeutschland habe ich mich ja bereits geäußert.

Wenn Du die Möglichkeit hättest, wieder an Bord von U 17 zu sein und noch einmal abzutauchen – würdest Du es tun?
Jederzeit wieder, auch als 70jähriger Veteran: Einmal Ubootfahrer, immer Ubootfahrer.

Gibt es eine Frage, die Dir noch nie gestellt wurde, die Du Dir aber wünschen würdest, weil Du so viel darüber erzählen könntest?
Nein, das nicht. Aber es gibt zwei häufige Fragen, die ich kurz beantworten kann.

1. Stimmt es, dass Seeleute in jedem Hafen eine Braut haben?
Definitiv nicht. Gegenfrage: Wer war schon in jedem Hafen?

2. Wie tief hätten Sie mit U 17 tauchen können?
Wenn wir das getestet hätten, würde ich diese Frage vermutlich erst recht nicht beantworten können.